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Externe Pressemeldung

„Wir klären das für Sie“ – Das Klärwerk der Samtgemeinde (Teil 2)

von Martin Thunich


Für Nienhagen und Wathlingen begann in den 60er-Jahre in Sachen Abwasserentsorgung nach und nach eine neue Ära. Die Sickergruben auf dem eigenen Grundstück konnten nach dem Aufbau eine Abwasserkanalisation stillgelegt werden. Das Dorf hatte in diesem Punkt mit der Stadt gleichgezogen.


Unterschiedlich war in den beiden Dörfern die Behandlung der Abwässer. Während Nienhagen das sog.

„Landbehandlungsverfahren“ auf Verregnungsflächen am Querstellenweg umsetzte, hatte Wathlingen sich für den mechanisch-biologischen Weg entschieden und am 21. November 1963 das Klärwerk am Hasklintweg in Betrieb genommen. In Adelheidsdorf blieben die privaten Sickergruben die praktizierte Lösung.

Der Aufbau und die Unterhaltung einer Schmutzwasserkanalisation sowie die weitere Behandlung und Endabführung der Abwässer obliegt einer Gemeinde. Es ist eine teure und lästige Aufgabe, mit der Ratsfrauen und Ratsherren im Wahlkampf nicht wirklich punkten können.

Welcher Politiker lässt sich schon gerne vor einem Klärbecken fotografieren? Daher war es den Räten der Einzelgemeinden sehr recht, als sie im Januar 1973 das Abwasserproblem der neu gegründeten Samtgemeinde Wathlingen übertragen konnten. Fürderhin fiel das Abwasserproblem in deren überörtliche Zuständigkeit, ohne dass sich in den nächsten etwa eineinhalb Jahrzehnten bei der unterschiedlichen Abwasserbehandlung etwas änderte. Das


Abwasser fließt bergauf

Mit dem Wachstum Nienhagens stieg auch die Abwassermenge und bald konnten die bestehenden Verregnungsflächen am Querstellenweg keine zusätzlichen Abwasseraufnehmen.


So steht in den Protokollen des zuständigen Werksausschuss der Samtgemeinde Wathlingen seit 1983 immer wieder die „prekäre Lage der Abwasserbeseitigung“ auf dem Nienhagener Gebiet auf der Tagesordnung.

Als Lösungsweg wurde in den Folgejahren eine zweite biologische Kläranlage der Samtgemeinde am Querstellenweg als Ergänzung und Entlastung des NienhagenerVerregnungswerkes in den Blick genommen. Allerdings bereitete die Umsetzung nicht nur finanzielle Probleme, denn die Landwirtezeigten wenig Neigung, der Samtgemeinde weitere Flächen zur Verregnung zu verpachten, wie das Ausschussprotokoll vom 17. September 1986 festhält.

Vor dem Hintergrund der sich weiter zuspitzenden Lage gab der Fachausschuss ein Jahr später den Plan einer eigenen Nienhagener Kläranlage endgültig auf und empfahl mit folgender Begründung diezentrale Abwasserbeseitigung auf der Wathlinger Kläranlage: „Nur ein Betriebspunkt, geringerer Personalaufwand, geringere Betriebskosten. Durch die Schaffung einer großen Anlage entsteht der Vorteil, daß Unregelmäßigkeiten im Betriebsablauf besser abzufangen sind.“ Drei Wochen später folgte der Samtgemeinderrat am 22. September 1987 der Empfehlung und beschloss einstimmig: „Die landwirtschaftliche Verregnung der Abwässer in Nienhagen wird auf lange Sicht gesehen aufgegeben, der Bau einer zentralen Kläranlage für die Samtgemeinde Wathlingenmit Standort in Wathlingen [wird] angestrebt.“ Damit war der Weg frei auf der WathlingerKläranlage die mechanische und die anschließende biologische Reinigung der Abwässer mit fleißigen Bakterien durch eine dritte chemische Reinigungsstufe, die Phosphor und Stickstoff entfernt, zu ergänzen. „Unsere Kläranlagen machen im Großen, was die Natur im Kleinen macht.


Der Mensch hat sich die Reinigungsprozesse von der Natur abgeschaut und sie beschleunigt, verbessert und effizienter gemacht“, sagt die 31-jährige Betriebsleiterin des Samtgemeindeklärwerks Maren Firnhaber. 1989 war das erweiterte Klärwerk fertiggestellt. Seitdem wird das Schmutzwasser aus Nienhorst, Nienhagen-West, Adelheidsdorf, Großmoor und Dasselsbruch tagsüber in der Pumpenstation am Querstellenweg zwischengespeichert und nachts durch eine Druckrohrleitung zum zwei Meter höher liegenden Wathlinger Klärwerk gepumpt, das auf diese Weise einen relativ regelmäßigen Zulauf erhält. Das in drei Stufen gereinigte Abwasser fließt in die Schönungsteiche neben der Naturkontaktstation. Es hat jetzt zwar keine Trinkwasserqualität, ist aber so sauber, dass es bedenkenlos über einen Graben zum Vorfluter und dann am tiefsten Punkt Wathlingens in die Fuhse geleitet werden kann. An einem „normalen“ Tag beträgt der Durchlauf unserer Kläranlage zwischen 1.500 und 2.000 m³, weiß Maren Firnhaber. Zum Vergleich: Das Celler Klärwerk reinigt pro Tag die zehnfache Menge, also etwa 15.000 m³.  


Im Vordergrund die erweiterte Kläranlage mit Rechengebäude und Sandfang (unten rechts im Bild), dem alten und neuen Belebungsbecken (ober- und unterhalb des Betriebsgebäudes), den Nachklärbecken (Bildmitte links) und den dahinter geschalteten Schönungsteichen. Oben im Bild die fünf Vererdungsbeete und die Windkraftanlage.  


Empfindliche Mitarbeiter

Die zahlenmäßig größte Gruppe der Mittarbeiter ist weder in einer Gewerkschaft organisiert, noch ist ihre wöchentliche Arbeitszeit begrenzt. Sie arbeiten 24/7 an 365 Tagen im Jahr. Es sind die Millionen von Bakterien, die in der zweiten Klärstufe das Abwasser reinigen. Allerdings sind diese „Mitarbeiter“ äußerst empfindlich und stellen ihre Arbeit sofort ein, wenn ihr Arbeitsfeld durch verbotene Einleitungen wie überhöhte Chlormengen oder Reste von Pflanzenschutzmitteln verschmutzt wird. Das Abwasser wird dann nicht mehr gereinigt. In günstigeren Fällen können sie wiederbelebt werden, anderenfalls müssen – wie im Januar 2022 – aufwendig aus anderen Kläranlagen neue lebende Bakterien geholt werden.  


Schlammflocke und „Mitarbeiter“. Laboraufnahme aus dem Belebungsbecken kurz vor dem Valentinstag am 01.02.2016.    

 

Wertvolles aus Dreck

Im Expojahr 2000 erfolgte auf dem Klärwerksgelände ein weiterer Schritt in Richtung Ökologie und Nachhaltigkeit. Die Samtgemeinde ließ vier Vererdungsbeete – ein fünftes kam 2003 hinzu – anlegen. In einem Vererdungsbeet, das etwa die Fläche eines Fußballfeldes hat, wird der rückständige Klärschlamm der Anlage ausgebracht. Die auf ihm wachsenden Schilfpflanzen entziehen dem Schlamm, der anfangs eine Festigkeit von 2-3 % hat, das Wasser und organische Stoffe. Nach etwa 8 bis 10 Jahren wird das Beet geräumt, die Schlammfestigkeit beträgt dann 30-35 %. Abhängig von Wachtums- und Erntezeit wird der biologisch wertvolle Schlamm auf landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht. Der Funktionszyklus eines Beetes beginnt von neuem. Klärschlammveredlungsanlagen gelten als ökologisch und ökonomisch sinnvoll.


Die Wathlinger Kläranlage mit ihren Vererdungsbeeten war während der Expo auch Ziel ausländischer Fachbesucher. Allerdings, so erinnert sich schmunzelnd der damalige Betriebsleiter Horst Strohmeyer, waren die ausländischen Besucher im Frühsommer eher vom Fotomotiv der benachbarten blühenden Rapsfelder begeistert und konnten sich erst nach einiger Zeit auf die Umwelttechnik der Kläranlage konzentrieren. Noch dürfen Kläranlagen von der Größe der WathlingerAnlage den Schlamm an Landwirte weiterreichen, aber die Bürokraten haben in ihren Amtsstuben für Großanlagen schon das Ende der Ausbringung und stattdessen die teure Verbrennung beschlossen.

 

Angst vor dem Blackout

„Ein modernes Klärwerk ist ein High-Tech-Betrieb“, erzählt Maren Firnhaber und blickt auf ihre vier Bildschirme, die die Abläufe im Wathlinger Klärwerk überwachen. Bei dem Gedanken an einen Stromausfall könnte einen schon ein leichtes Gruseln beschleichen, denn das Abwasser kann ohne Strom weder zur Kläranlage gepumpt noch gereinigt werden. Seit 2010 hat die Samtgemeinde ein großes Stück vorgesorgt. Im Zuge der Klärwerkserweiterung auf 22.000 Einwohnerwerte wurde das Klärwerk mit einer 60 kWp Photovoltaikanlage und einer stationären Netzersatzanlage zur Notstromversorgung ertüchtigt. Ende 2013 konnte zusätzlich eine 800 kW Windenergieanlage zur eigenen Stromversorgung gebaut werden.


Dieser Strom wird zum Großteil auch im eigenen Klärwerk verbraucht. Der überschüssige Strom, der nicht gespeichert werden kann, wird ins Netz eingespeist. Eine Investition, die sich nicht nur ökonomisch rechnet. Noch bei der Jahrtausendwende fürchtete der damalige Betriebsleiter Horst Strohmeyer, dass die Umstellung auf das neue Jahrtausend die Computer aus dem Takt bringt und die Stromversorgung unterbricht.


Er erinnert sich noch heute an die kalte sternenklare Silvesternacht 1999, die er bei leichtem Schneefall auf dem Klärwerksgelände verbrachte. „Als dann das neue Jahr da war und nichts passierte, fiel eine Zentnerlast ab. Der Sektkorken knallte etwas nach Mitternacht nicht nur zur Begrüßung des neuen Jahres. So ein intensives Silvester vergisst man sein Leben lang nicht.“  

Ende  2013 wurde die Windkraftanlage mit einer Nabenhöhe von 73 Metern in Betrieb genommen. Der von ihr erzeugte Strom wird größtenteils im Klärwerk verbraucht, der überschüssige Strom wird ins Netz eingespeist.  


Ein Beruf mit Zukunft

Nach ihrer Hochschulreife begann Maren Firnhaber im August 2011 ihre Ausbildung zur Fachkraft für Abwassertechnik. „Es war das, was ich machen wollte“, erinnert sich die Betriebsleiterin und sie bereut ihre Berufswahl bis heute nicht. „Als Frau in einem typischen Männerberuf war die Lehrzeit nicht immer einfach, aber sie hat sich hervorragend durchgebissen“, erinnert sich ihr damaliger Ausbildungsleiter Horst Strohmeyer. „Angesichts von Klimawandel, Wasserknappheit und Nachhaltigkeitsdebatten ist Maren Firnhaber überzeugt, werde ihr Beruf immer wichtiger und anspruchsvoller. „Man muss sich stets mit neuen Herausforderungen auseinandersetzen“, erzählt sie beim Gang durch das hochmoderne Labor der Kläranlage. Die Gemeinde lasse ihr relativ freie Hand, agiere nicht zu bürokratisch und unterstütze sie bei ihrer Arbeit. „Obendrein habe ich ein tolles Team“, lobt sie ihre Mitarbeiter, denn „ohne Menschen geht es nicht.“ Die nächste Herausforderung steht schon vor der Tür, denn für 2024 ist die Erweiterung der Kläranlage auf 30.000 Einwohnerrichtwerte geplant. 

Eine Kläranlage ist Heute ein High-Tech-Bezrieb 

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